EUSTORY Next Generation Summit 2017

6. – 10. Oktober Berlin (⇒ PDF)

Ein Erfahrungsbericht von Ian Alexis Glanzmann und Fabienne Kramer:

«Re:member Europe» – unter diesem Motto fand Anfang Oktober in Berlin der EUSTORY Summit statt. 100 Jugendliche und junge Erwachsene aus 27 verschiedenen europäischen Länder trafen sich in der deutschen Hauptstadt, um sich über europäische Geschichte auszutauschen. Auch wir hatten die Möglichkeit, ein Teil dieses History-Treffens zu sein.

Unsere Reise begann an einem verregneten Freitagmorgen in Zürich – mit Verspätung. Das Sturmtief Xaver hatte am Tag zuvor grosse Gebiete in Norddeutschland lahmgelegt und die Auswirkungen davon hatten nicht nur wir zu spüren. Zahlreiche Flüge waren verspätet und die Züge in Deutschland fielen teilweise aus, sodass das Summit Leiterteam bereits vor dem offiziellen Start echt gefordert war. Gewisse Leute benötigten 11 Stunden, um nach Berlin zu langen und vereinzelte kamen gar erst am Samstag an.

Wir wurden am Flughafen abgeholt und trafen dort bereits auf die ersten anderen Teilnehmer aus Lettland, Estland und Litauen, mit welchen wir den letzten Teil der Reise bis in Hostel zurücklegten. Nach den ersten Anreise-Turbulenzen wurde der Summit dann am Freitagabend offiziell im Radialsystem in Berlin eröffnet. Wir erhielten allerlei Informationen und hörten zwei Referate. Nach dem Eröffnungsevent knüpften wir bereits erste Kontakte und lernten andere Teilnehmer aus diversen Ländern kennen.

Am Samstag begann die eigentliche Arbeit. Alle Teilnehmer waren in einen der sechs angebotenen Workshops eingeteilt. Wir zwei waren in den Workshops «Childhood stories of forced migration» und «Europe on Display». In den kommenden drei Tagen fand jeweils ein dreistündiger Workshop-Block am Morgen und einer am Nachmittag statt. Wir werden nun einen kurzen Einblick in unserer zwei Workshops, die uns sehr Spass gemacht haben, geben:

Fabienne: Zusammen mit 17 anderen Jugendlichen war ich Teil des Workshops «Europe on Display». Unsere zwei Leiterinnen Blandine und Laure arbeiten im «House of European History» in Brüssel. Dies ist ein ziemlich neu eröffnetes Museum, das sich mit der europäischen Geschichte und gemeinsamem europäischen Gedankengut auseinandersetzt. Ihre Idee für diesen Workshop war dementsprechend auch, sich mit wichtigen Ereignissen der europäischen Geschichte und europäischem Erbe auseinanderzusetzen.

Im Vorfeld des Eustory Summit bekamen wir alle von Blandine und Laure die Aufgabe, zu verschiedenen Themen Bilder zu sammeln. Diese Themen beschrieben wichtige Aspekte des europäischen Erbes wie zum Beispiel Demokratie, Christentum, Revolutionen, Sklaverei, Völkermord oder Humanismus. Mit diesen mitgebrachten Bildern gestalteten wir den Einstieg in den Workshop und versuchten damit ein Mindmap am Boden auszulegen. In diesem Mindmap definierten wir drei verschiedene Pfade, aus welchen je ein Teil unseres Stop-Motion-Film entstehen sollte. In drei Gruppen arbeiteten wir voller Eifer an den drei kleinen Stop-Motion-Filmen. Wir schnitten alles zusammen und vertonten den Film. Die Zusammenarbeit in meinem Workshop war super und ein Highlight waren sicher auch die von allen mitgebrachten Süssigkeiten aus ihren Heimatländer.

Ian: Ich entschied mich für den Workshop “childhood stories of forced migration”, da ich mich bereits in meiner Maturaarbeit intensiv mit der Thematik der Migration beschäftigt hatte. Kurz vor der Anreise ins Camp war ich mir nicht mehr sicher, ob mich das Thema immer noch interessieren würde. In Berlin wurde ich dann sehr positiv überrascht und konnte sehr viel Neues zu einem Thema dazu lernen, von dem ich gedacht habe, dass ich eigentlich schon fast alles weiss.

Der Workshop wurde von “vajswerk”, drei Männern aus der Welt des Recherchentheater Berlin geleitet. Dies durften wir ab dem ersten Tag erfahren, nicht nur bei der spielerischen Kennenlernphase oder dem sogenannten Aufwärmen nach Pausen, sondern auch an der aussergewöhnlichen, offenen Herangehensweise an die Thematik, die für uns zuerst etwas ziellos schien.

Im Vorfeld auf die Eustory-Veranstaltung wurden wir gebeten eine Quelle zu suchen, die speziell mit forcierter Migration zu tun hatte. Diese Aufgabe fiel mir leicht, da ich auf eine Quelle meiner Maturaarbeit zurückgreifen konnte. In einer ersten Phase unseres Arbeitsprozesses stellten wir einander die gewählte Quelle kurz vor, insbesondere wurde darauf hingewiesen, woher man selbst stammt und woher die Quelle kommt. Auffallend war, dass sich die meisten auf Quellen aus ihrer Umgebung bezogen. Anschliessend versuchten wir die Quellen zu ordnen, beispielsweise ob sie aus dem 2. Weltkrieg stammten oder aus der nahen Vergangenheit kamen. Danach teilten wir uns in Gruppen auf, um uns eingehender mit den Quellen zu befassen. Daraus entstanden angeregte Diskussionen, in denen wir viele Gemeinsamkeiten in den Migrationsgeschichten aus den verschiedenen Ländern feststellen konnten. Dies war für mich der lehrreichste Teil des Workshops.

In einer zweiten Phase des Arbeitsprozesses machten wir uns Gedanken, wie wir unsere Ergebnisse der gesamten Gruppe von Teilnehmern des Summits präsentieren könnten. Wir entschlossen uns, ein Theater aufzuführen. Jedes Gruppenmitglied sollte kurz zu Wort kommen und in wenigen Sätzen die Geschichte seiner Quelle wiedergeben. Unterstützt wurde die Geschichte durch ausdrucksstarke Bilder, die etwas mit den Quellen zu tun hatten. Die Idee, unsere Ergebnisse so zu präsentieren, fand ich persönlich äusserst interessant, denn wo sonst gibt es eine Aufführung mit einem gesamten Querschnitt durch die Migrationsgeschichte der ganzen Welt. Das einzige Problem war die vielleicht zu knapp bemessene Zeit für die Vorbereitung und Aufführung. Ganz persönlich war ich nicht überzeugt, ob das Publikum wirklich immer verstehen konnte, was wir ihnen mitteilen wollten. Es ist sehr schwierig einem Stück zu folgen, in dem in der einen Sekunde über den spanischen Bürgerkrieg und in der anderen über die Schweiz des 19. Jahrhundert gesprochen wird.

Doch die Workshopsequenzen waren noch längst nicht alles, was die vier Tage in Berlin so abwechslungsreich und spannend machten. Zum Eustory Summit gehörte noch viel mehr dazu. Am Samstagabend stand etwa ein Spaziergang durch Berlin auf dem Programm. Das Ziel war, einige Sehenswürdigkeiten zu besuchen. Mit der S-Bahn ging es zuerst zum Potsdamer Platz, dann zum berühmten Denkmal für die Juden und schliesslich zum Brandenburger Tor und zum Reichstag. Beim Brandenburger Tor wurden wir von einer Lichtshow, die aufs Tor projiziert wurde, überrascht.

Am Sonntagabend gab es zwei Möglichkeiten für das Abendprogramm. Einerseits konnte man in einer Gruppe zur Bernauer Strasse, wo sich die Mauergedenkstätte befindet, fahren. Andererseits konnte man ein Konzert von fünf jungen Kammermusikern im Radialsystem besuchen. Das Radialsystem war das Kultur- und Kongresszentrum, in welchem wir während der 4 Tage unsere Workshops besuchten, uns mittags und abends verpflegten und wo sich der Eustory Summit hauptsächlich abspielte. Im Radialsystem befand sich auch eine grosse Karte von Europa, auf welcher wir jeden Tag als Antwort auf eine Frage Klebezettel platzieren mussten. Am ersten Tag lautete die Frage, aus welchem Land wir stammten. Am zweiten Tag ging es darum, sein präferiertes Wohn-Land zu kennzeichnen und am dritten Tag sollten wir mittels Post-it zeigen, über welches Land wir in den letzten Tagen am meisten gelernt hatten.

Mit dem Montag war bereits der letzte Tag des Eustory Summit angebrochen. In der letzten Workshop-Phase wurde mit vollem Einsatz die Schlusspräsentation der Ergebnisse vorbereitet. Am späteren Nachmittag fand dann der Closing Event statt. Es war sehr interessant zu sehen, was für unterschiedliche Themen in den sechs Workshops diskutiert und behandelt worden waren. «Europe on Display» präsentierte ihren produzierten Stop-Motion-Film, während «Childhood stories of forced migration» live auf der Bühne ihr Theater zeigte. Kreativ war auch die Performance des Workshops «Violence»: mit ausdrucksstarkem Tanz, Schattentheater und Gesang stellten die Teilnehmer den Kontrast zwischen Gewalt und Harmonie dar und beendeten ihren Auftritt mit «Imagine» von John Lennon. Mit Dankesworten und ein paar verdrückten Tränchen ging der Summit offiziell zu Ende.

Doch ganz fertig war der Eustory Summit mit diesem Schlussevent noch nicht. Um 22 Uhr trafen wir uns alle nochmal im Radial System zu einigen kleinen «Goodbye-Spielen». Jeder und jede von uns konnte sich ein Blatt Papier auf den Rücken kleben und sich, bewaffnet mit Filzstift, auf den Blättern der anderen verewigen. Das war eine wunderschöne Idee, denn beim anschliessenden Lesen des eigenen Blattes wurde man sofort an all die tollen Momente während der letzten Tage erinnert. Dann galt es schliesslich leider doch, sich zu verabschieden. Wir hätten nie gedacht, dass dies nach nur vier Tagen so schwer fallen würde. Wir hatten in kurzer Zeit sehr viele Kontakte geknüpft. Und wir hoffen natürlich auch, dass wir den einen oder anderen wieder einmal irgendwo in Europa antreffen werden.

Für uns zwei begann die Rückreise noch, bevor es wieder Morgen war. Bereits um 4.15 Uhr holte uns ein Taxi im Hostel ab und brachte uns zusammen mit zwei Teilnehmern aus Israel, deren Flug bereits um 7 Uhr ging, zum Flughafen. Unser Flug hingegen ging erst um 8.30 Uhr, sodass wir noch etwas Zeit am Flughafen totschlagen mussten. Wir beide waren ziemlich müde, hatten wir in den letzten Tagen nicht so viel Schlaf abbekommen. Trotzdem waren wir beide froh, dass wir diese Möglichkeit genutzt und am Eustory Summit teilgenommen hatten.

Abschliessend können wir nur noch sagen, dass wir tolle, lehrreiche Tag in Berlin verbringen durften. Äusserst interessant war es in der freien Zeit mit Jugendlichen aus ganz Europa über die verschiedensten alltäglichen, historischen oder politischen Gegebenheiten zu diskutieren, ausschliesslich in englischer Sprache.

Fazit: Wer so eine Chance bekommt, sollte sie nutzen. Herzlichen Dank HISTORIA.

Weitere Berichte aus dem Workshop «Childhood stories of forced migrations”:

https://www.historycampus.org/2017/11/16/childhood-stories-forced-migration/

Weitere Berichte aus dem Workshop «Europe on Display»:

https://www.historycampus.org/2017/11/04/europe-on-display-build-house-european-history/