Eustory-Jahresversammlung 2018

Beteiligungsbericht von Marzio Conti

Prämisse

Das Treffen war sehr gut organisiert und von allen Gesichtspunkten her höchst interessant. Ich hatte das Vergnügen, Turin bereits am Donnerstag, den 22. März, am frühen Nachmittag zu erreichen und einen ersten Rundgang in der Nähe des Bahnhofs und unserer Unterkunft zu machen, was ich sehr zu schätzen wusste, sowie auch die ab 16.00 Uhr geplante Stadtführung in Turin.

Einführung

Ich werde mit einer ersten Beschreibung des Treffens beginnen, sowie mit einigen Anmerkungen diesbezüglich, um dann auf die Anfragen zu antworten («Die Rolle der Archive» und «Effektiver Bewertungsprozess» d.h. einige der Hauptthemen des Treffens) um dann mit den Schlussfolgerungen zu enden (subjektiv und objektiv, wie angefragt).

1 Beschreibung des Treffens und erste Anmerkungen

Wie bereits gesagt, war das Treffen sehr gut organisiert. Ich konnte Turin mit dem Zug direkt von Bellinzona aus erreichen und konnte an allen Aktivitäten teilnehmen. Ich blieb noch einen Tag länger, da ich die Stadt besichtigen wollte, um eventuell einen Ausflug mit einer meiner Klassen zu organisieren.

1.1 Erste Besichtigung der Stadt Turin und des «Polo del ‹900» (22.03.2018)

Wir hatten das Vergnügen, eine Führung durch das Zentrum von Turin und in dem «Polo del ‹900» zu erleben, eine Art Museum, dass uns die Anregung gab, über einige Themen nachzudenken, wie:

1 Bedeutsamkeit der historischen Quellen und Wichtigkeit ihrer Erhaltung.

2 Herausforderungen der Digitalisierung.

Der zweite Punkt war besonders interessant, da die historischen Quellen in Zukunft digitalisiert werden müssen, damit sie besser erhalten und vor allem für eine größere Anzahl von Menschen zugänglich gemacht werden. Es war sehr interessant, das Engagement der Compagnia di San Paolo zu sehen, die ihr anvertrauten historischen Quellen zu erhalten und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, insbesondere jungen Forschern.

1.2 Das Treffen mit Kollegen aus anderen Ländern

Ich möchte sofort unterstreichen, dass einer der interessantesten Aspekte der Veranstaltung die Möglichkeit war, Historiker aus anderen europäischen Ländern zu treffen und aktuelle Themen mit ihnen zu besprechen. Ich werde in meinen Schlussfolgerungen auf diesem Aspekt zurückkehren: Aber ich möchte hervorheben, dass mir von Anfang an klar war, dass diese Gelegenheit ausführlich genutzt werden musste: Dies nicht nur aus dem Gesichtspunkt der Allgemeinkultur (ich werde die sehr interessanten Diskussionen über die enogastronomischen Aspekte mit meinem französischen Kollegen nie vergessen), sondern auch aus einem sehr anspruchsvollen historisch-politischen Gesichtspunkt.

1.3 Der Vergleich mit den anderen Wettbewerben

Es war sicherlich interessant zu sehen, wie die historischen Wettbewerbe in anderen Ländern organisiert werden, ebenso wie es interessant war, das zu präsentieren, was in der Schweiz vorgeschlagen wird. In diesem Sinne ist anzumerken, dass die schweizerische Besonderheit entgegen dem, was geglaubt wird, nicht in dem Vorschlag mehrsprachiger Situationen liegt, sondern eher im guten Zusammenhalt und dem gegenseitigen Respekt der verschiedenen Sprachen. Dies betrifft insbesondere die Sprachen der Minderheiten (ich beziehe mich insbesondere auf Französisch und Italienisch, da das Romanische objektiv gesagt ignoriert wird – aber wir sprechen hier von einer Sprache, die gerade Mal von einigen tausend Menschen gesprochen wird, und hinzu noch in sehr unterschiedlichen Formen).

Auch auf das Thema Sprachen werde ich später wieder zurückgreifen, weil es Gegenstand interessanter Diskussionen war.

1.4 Offizielle Begrüßung und erste Reden

Die offiziellen Begrüßungen und die ersten Reden waren interessant, besonders schätzte ich:

  • Nicola Crepax (Fondazione per la scuola): der eine interessante Reflexion über den Unterricht und die Rolle des Lehrers präsentierte.
  • Thomas Paulsen (Körber Stiftung): Er betonte die Rolle der Geschichte in der Gesellschaft und das Engagement der Körber-Stiftung dafür, dass Historiker Politikern bei der Entscheidungsfindung unterstützen, damit politische Entscheidungen bewusster getroffen werden können (ohne sie unbedingt inhaltlich beeinflussen zu wollen).
  • Andere Überlegungen haben gezeigt, wie wichtig historische Wettbewerbe sind, um dieses Bewusstsein und das historisch-bürgerliche Engagement unter jungen Menschen zu verbreiten.

1.5 Die Vorträge von Freitagmorgen (Die Sprachen der Zeitgenossenschaft – Die Werkzeugkiste des Historikers im 21. Jahrhundert «- Die Herausforderungen der Digitalisierung» – Bilder aus dem Ersten Weltkrieg – Der Erste Weltkrieg und die Fernsehserien – Vorstellung einiger von italienischen Studenten realisierten Projekte: «sterbliche Körper» (*) und «Die Mauern von der Antike bis heute».

Unter anderem wurden folgende interessante Beobachtungen gemacht:

  • Veränderung der aktuellen Kriege: Nicht mehr den Armeen und Staaten zuzurechnen, die wissen, dass am Ende Frieden herrschen soll, sondern endemisch und kontinuierlich.
  • Übermäßige Gewalt in der heutigen Gesellschaft.
  • Überlegungen darüber, wie man Geschichte in einer Weise gestalten kann, die heute attraktiver wirkt (mit der Möglichkeit, mehrere Ausschnitte historischer Filme anzuschauen).
  •  Interessant waren auch die Präsentationen einiger Arbeiten, die von Schülern italienischer Schulen durchgeführt wurden, insbesondere die, bei denen mehrere Schulen zusammengearbeitet haben.

1.6 Die Rolle der Archive

Die Präsentationen und Diskussionen waren besonders interessant, insbesondere:

  • In Betonung der Wichtigkeit, junge Menschen dazu zu bringen, darüber nachzudenken, wo und wie sie ihre Quellen finden.
  • In der Bewertung der Nutzung der Quellen durch junge Menschen.

In diesem Sinne hat sich herausgestellt, dass es sehr wichtig ist, junge Menschen (vielleicht schon in den Wettbewerbsregeln) zu bitten, ihre Suche nach Quellen und deren Verwendung zu rechtfertigen.

1.7 Der Besuch der Stiftung „Fondazione 1563”

Der Besuch der Fondazione 1563 (Samstagvormittag) war sehr interessant: wir sahen sowohl ihre Archive mit Originaldokumenten als auch ihre Projekte der Digitalisierung von Dokumenten. Das Thema Digitalisierung ist sehr präsent und wird sicherlich auch für die Zukunft der Forschung und historischen Verbreitung in der Schweiz (sowie für den von uns vorgeschlagenen Wettbewerb) in Betracht gezogen werden.

1.8 Die Projekte von Weißrussland, Moldawien, Ukraine und Georgien

Über das hinaus, was tatsächlich vorgeschlagen wird, finde ich, dass das Prinzip und das Engagement von Eustory, historische Forschung auch in Ländern zu entwickeln, die objektiv benachteiligt sind (vor allem aus wirtschaftlicher Sicht), sehr wichtig sind. Es ist in der Tat maßgebend, dass auch in diesen Ländern so schnell wie möglich eine demokratische Kultur entwickelt werden kann, damit nicht wieder die gleichen Fehler begangen werden, wie beispielsweise die die in den westeuropäischen Demokratien in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts begangen wurden.

1.9 Abschließender Teil – Satzungsgemäße Ernennungen

Im letzten Teil gingen wir zu einer Bilanz des Treffens und der verschiedenen Formalitäten, einschließlich der gesetzlichen Ernennungen, über.

2 Einige grundlegende Aspekte

Wie in der Einleitung erwähnt, sah das Programm die Untersuchung einiger wesentlicher Themen vor. Bevor ich jedoch darauf zurückkomme, möchte ich auf einige Aspekte eingehen, die sich in den verschiedenen Diskussionsmomenten ergeben haben, die ich besonders geschätzt habe:

Sprachliche Aspekte
Wie ich bereits erwähnt habe, war ich besonders beeindruckt von der Tatsache, dass die Mehrsprachigkeit in vielen Ländern präsent ist und große Bedeutung hat. Nur, dass die Probleme, die sie hervorruft, überhaupt nicht mit denen in der Schweiz vergleichbar sind. Für uns ist die Mehrsprachigkeit, obwohl sie einige Problemen und Schwierigkeiten mit sich führt (die mir als Vertreter der italienischen Schweiz durchaus bekannt sind) eine Bereicherung. Es ist nicht immer so. Ohne über den gesamten Meinungsaustausch berichten zu wollen, beschränke ich mich auf ein Beispiel, das ich sehr bezeichnend finde: In Georgien gibt es Historiker, die sich weigern, die Arbeit der Studenten die auf Russisch geschriebenen sind, zu lesen und zu bewerten. Dies liegt nicht daran, dass sie Russisch nicht verstehen, sondern ausschließlich an nationalistischen Gründen. Nun, dieser Nationalismus, der in vielen europäischen Regionen sehr stark ist, überrascht mich nicht allzu sehr, aber dass er so stark in denen ist, die eine (relativ) größere Offenheit haben sollten (die Historiker zum Beispiel), macht mir viel Angst und hat mich vor allem im ersten Augenblick, sehr überrascht (obwohl ich das Problem später verständlicher fand). Das alles hat natürlich erhebliche Kosten: Die Arbeiten werden nämlich in der Regel mit hohen Kosten übersetzt (es handelt sich um professionelle Übersetzungen) oder die Beteiligung der Vertreter der sprachlichen Minderheiten sinkt drastisch.

  1. Vergleich mit Historikern aus anderen europäischen Ländern.
    Im Austausch mit Historikern aus anderen Ländern, ohne ins Detail gehen zu wollen, unterstreiche ich, wie interessant es war, mit polnischen Historikern über den polnischen Fall (in Bezug auf das Konzentrationslagergesetz in Polen) zu sprechen und mit spanischen Historikern über die Situation in Katalonien zu diskutieren. Aber auch informelle Treffen und Diskussionen mit Hochschulhistorikern aus Ländern wie Slowenien waren sehr interessant und bereichernd.
  2.  2.1 Archive und Quellen

Das Thema wurde ausführlich behandelt und wir wollen folgendes unterstreichen:

  • Auf der einen Seite die Wichtigkeit, junge Menschen dazu zu bringen, mit Quellen zu arbeiten.
  • Auf der anderen Seite die Notwendigkeit, neue Technologien und damit die Bedeutung der Digitalisierung zu berücksichtigen, was sich auch in der Forschung und vor allem in der Verbreitung von historischem Wissen bemerkbar machen wird.

In Bezug auf die Digitalisierung und die neuen Informationsquellen ist es wichtig, sich dafür einzusetzen, dass junge Menschen eine kritische Haltung entwickeln, die es ihnen ermöglicht, die Wahrhaftigkeit von Informationen zu beurteilen. In diesem Sinne spielt die Geschichtslehre (auch und vor allem aus methodischer Sicht) eine nicht unwesentliche Rolle bei der Entwicklung einer (authentisch) demokratischen Gesellschaft. In der Tat erfordern die Demokratie und das Engagement für eine bessere Gesellschaft ein immer stärkeres Engagement für die Verbreitung einer guten historischen Kultur (mehr aus inhaltlicher als aus methodischer Sicht).

2.3 Die Wirksamkeit der Bewertung

Unter diesem Gesichtspunkt ist der Vergleich zwischen den in den verschiedenen Ländern angewandten Methoden immer sehr wichtig und bereichernd. Für die Schweiz bleiben der sprachliche Aspekt und die Unterschiede in den Programmen wichtig, aber die gewählten Lösungen scheinen im internationalen Vergleich gültig zu sein (auch weil die Dimensionen des Landes eine fast «individuelle» Bewertung der verschiedenen Arbeiten erlauben, in denen die Definition von Kriterien die eindeutig – und daher diskriminierend für Minderheiten oder Besonderheiten sind – von untergeordneter Bedeutung sind.

Schlussfolgerung 

Ohne das vorher Gesagte wieder aufzunehmen, war das Treffen sehr interessant und ich denke es ist gut, dass in Zukunft auch andere Mitglieder des Komitees teilnehmen werden können.

Über den Schweizer Wettbewerb:

  1. Es ist bedauerlich, dass die Gewinner des Wettbewerbs nur alle zwei Jahre am Jahrestreffen teilnehmen können.
  2. Es könnten Sonderpreise festgelegt werden können.

Ich schlage vor, dass:

  • Neben der besten Arbeit auch die originellste belohnt wird, bezüglich auf den wissenschaftlichen Ansatz, dh in der Berücksichtigung der Quellen (Archive) oder in der Präsentation / Forschung (digital);
  • Der Gewinner dieses Sonderpreises an dem jährlichen Eustory-Treffen im Jahr nach dem Schweizer Preis teilnehmen darf.

Mit freundlichen Grüssen.

Bellinzona, der 24 April 2018                                                                            Marzio Conti