In der estnischen Hauptstadt trafen sich insgesamt 35 Personen aus 21 Mitgliedsländern von EUSTORY. Das Programm wurde in der Tallinna Reaalkoll, dem 1881 gegründeten Gymnasium, eröffnet. Der geschäftliche Teil des Treffens umfasste folgende Punkte:
1. Austausch über die Frage: Wie nehmen heutige Jugendliche, 30 Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges, die Geschichte wahr?
2. Austausch über aktuelle Wettbewerbsthemen, Informationsmaterialien und sonstige Aktivitäten der nationalen Geschichtswettbewerbe
3. Aufnahme der neuen Mitgliedsländer Georgien und Moldawien in das Netzwerk EUSTORY
4. Informationen über Neuerungen bei EUSTORY und Verabschiedung modifizierter Grundsatzpapiere
Daneben standen hochkarätige Referate auf dem Programm: Krista Sav, Ausstellungsmacherin der neuen Dauerausstellung im Historischen Museum Tallinn, erläuterte uns das museumsdidaktische Konzept. Besonders interessant war der «Friedhof der stalinistischen Denkmäler», wo Statuen aus der Sowjetzeit ihren Platz gefunden haben. Die Historikerin Kristina Kallas hielt einen sehr aufschlussreichen Vortrag über den Umgang mit den russischsprachigen Nachkommen der Sowjetbesatzer im heutigen Estland, insbesondere in der Grenzstadt Narwa.
Auch in didaktischer Hinsicht erhielten die Konferenzteilnehmerinnen und -teilnehmer einen Input: Lehrpersonen der estnischen Geschichtslehrervereinigung stellten die «Time Travel Method» vor, ein Rollenspiel, in dem Jugendliche vergangene Epochen nachempfinden können. Jörg van Norden und Wanda Schürenberg von der Universität Bielefeld informierten über ihr Forschungsprojekt, in dem sie die Wertvorstellungen von Jugendlichen untersuchen wollen.
Im dichten Programm waren auch Besichtigungen historisch interessanter Orte in Tallinn und Umgebung vorgesehen: Nebst einer Führung durch die malerische Altstadt Tallinn, einem geführten Rundgang durch das Historischen Museums (Maarjamäe History Centre) und dem Besuch der Singarena in Tallinn (Ort der «Singing Revolution» bei Ende des Kalten Krieges) beeindruckte vor allem das im September 2018 eröffneten Memorial für die Opfer des stalinistischen Terrors (Eesti Kommunismiohvrite Memoriaal).
Einer der Höhepunkte war sicherlich das Treffen vom 28.3. 2019 mit der estnischen Präsidentin an ihrem Regierungssitz. Kersti Kaljulaid nahm sich Zeit, um mit uns zu sprechen, bevor wir durch den Palast geführt wurden.
Die estnische Präsidentin Kersti Kaljulaid (im roten Kleid) mit den Vertreterinnen und Vertretern von Eustory © Aron Urb
Sehr wertvoll war auch der informelle Austausch unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Da viele von uns auch unterrichten, waren u.a. die Schulsysteme, Geschichtslehrpläne, das Bildungswesen und die Arbeitsbedingungen von Geschichtslehrpersonen Thema der Tischgespräche. Die Wichtigkeit des Geschichtsunterrichtes schwindet in vielen Ländern. Diese Tendenz ist besorgniserregend: je weniger junge Menschen über Geschichte, ihre eigene und die der anderen, wissen, desto leichter werden sie zum Spielball politischer Kräfte. Hier haben die Geschichtswettbewerbe eine wichtige Aufgabe: Sie stärken Geschichte als Schulfach und sie wecken den kritischen Geist, den junge Menschen benötigen, um die zukünftigen Herausforderungen anzugehen.
Antonia Schmidlin