Eustory-Jahresversammlung 2021

Vom 17. bis 20. März 2021 fand die Jahrestagung von Eustory statt, coronabedingt allerdings virtuell. Sie bot den Teilnehmern*innen Gelegenheit,  Aktivitäten der Körber-Stiftung und Fragestellungen  anderer Landeswettbewerbe näher kennenzulernen und sich mit Fragen der historischen Erinnerung, namentlich des Postkolonialismus auseinanderzusetzen. Teilnehmer*innen von  HISTORIA waren Antonia Schmidlin und Markus Holenstein.

Zu den Kernaktivitäten der Körber-Stiftung zählt die Förderung des weltweiten Dialogs – auch und gerade der zwischenstaatlichen Verständigung in Europa, die erst möglich wird mittels kritischer Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte. Dies ist der geschichtspolitische Hintergrund, in den auch die Fragestellungen der Geschichtswettbewerbe der einzelnen Länder eingebettet sind. 
Auf einer neuen digitalen Plattform der Körber-Stiftung diskutieren Historiker*innen  am 18./19. Mai das Phänomen der Krise im historischen Kontext. – Der e-Commemoration Campus schaltet über eine gemeinsame Website Artikel, eigene Stellungnahmen und persönliche Beiträge junger Europäer*innen zu geschichtlichen und gesellschaftlichen Themen und ihrer Identität auf.

Die auf dem Market-Place ausgestellten Materialien der einzelnen Landeswettbewerbe gaben einen interessanten Einblick in deren vielfältigen Themen: Die Schüler*innen Frankreichs bspw. befassten sich aus Anlass des Jubiläums 70 Jahre Europäische Menschenrechtskonvention mit der Geschichte der Menschenrechte; der Wettbewerb der Ukraine etwa thematisierte Lebens- und Arbeitsformen während der sowjetischen Vergangenheit; der portugiesische Wettbewerb lud die Teilnehmenden  ein zu recherchieren, wie Menschen ihre Arbeit mit gesellschaftlichen Krisen zu verbinden vermögen.

Den Schwerpunkt der Tagung bildeten der Vortrag des Hamburger Afrikaexperten Jürgen Zimmerer über Debatten zum postkolonialen Vermächtnis Deutschlands und die Erläuterungen von Eustoryvertreter*innen zu Monumenten in ihren Ländern. Gerade in Hamburg, mit seinem Hafen damals wichtiger Ausgangspunkt des deutschen Kolonialhandels, entwickelte sich ein engagierter Diskurs über Denkmäler, welche die koloniale Vergangenheit des Zweiten Deutschen Kaiserreichs erinnern: eine monumentale Bismarckstatue – Auslöser der Postkolonialismusdebatten in der Hansestadt – und zahlreiche Gebäude, Statuen und Strassenschilder. Postkolonialismusdebatten sind ein Schritt zur Bewältigung der kolonialen Vergangenheit, zur Anerkennung der Schuld, zur offiziellen Entschuldigung und zu monetären Entschädigungen. Exemplarisch ist dies bspw. am Genozid an den Herreros aufzuzeigen.
Die kritische Analyse und Kontextualisierung eines Monuments kann in Portugal bspw. anhand 
des „Padrão dos Descubrimentos“ in Bélem, Symbol des portugiesischen Kolonialimperiums, gemacht werden, in Russland am Beispiel der Stalinstatuen, in der Ukraine mittels zahlreicher Objekte, welche die sowjetische Vergangenheit erinnern. Junge Menschen sollen zu diesen Objekten geführt werden, um dadurch die eigene Geschichte besser analysieren und reflektieren zu können. Standpunkte gegenüber den Denkmälern wandeln sich im Laufe der Zeit – ein Grund für kontroverse Debatten: Wann könnten Monumente entfernt, zerstört, verschoben und/oder rekontextualisiert werden? Die dezidierte Ansicht des ukrainischen Eustoryvertreters: Eine Zerstörung wäre dann legitimiert, wenn ein Monument Verbrechen verherrlicht; ein Monument erhält dann seine Legitimation, wenn es Werte wie Menschlichkeit symbolisiert. Interesse an Denkmälern sollten alle zeigen, denn sie veranlassen den/die Betrachter*in zur Reflexion der Geschichte des eigenen Landes.
 
Ein open-space-Meeting zu wichtigen Fragestellungen des Wettbewerbs – Motivation und Hilfestellung für Schüler*innen, die internationale Dimension des Wettbewerbs, Engagement der Lehrpersonen, digitale Recherchetools – schloss das Treffen ab. Herausgegriffen sei die Diskussion über eine mögliche Stärkung der internationalen Zusammenarbeit zwischen den Eustory-Mitgliedern. Vorgeschlagen wurde von der slowakischen Vertreterin die Schaffung eines gemeinsamen Gesprächsgefässes über Zoom mit freiwilliger Beteiligung von Lehrkräften, Schüler*innen und Koordinatoren zum Austausch von Ideen zur Wettbewerbsgestaltung, bspw. Wahl grenzübergreifender Themen wie Umwelt, Gerechtigkeit zwischen den Menschen, Geschichte als Faszinosum,  Abhalten von Webinars und Vorstellung von Wettbewerbsarbeiten in einem gemeinsamen Format: ein sehr wertvoller Input!! 
  
Last but not least: Ein gemeinsames Abendessen, zubereitet in der eigenen Küche der Teilnehmenden, und ein interessante Abschiedstalk bei einem Glas Wein fanden virtuell statt. Und: Am 1. September 2021 gehören bereits 20 Eustoryjahre der Geschichte an – eine gebührende Feier soll die erfolgreiche Tätigkeit des europäischen Geschichtswettbewerbs würdigen.


Markus Holenstein und Antonia Schmidlin